Rückblick | Mehr Sicherheit für Kinder im StraßenverkehrFHöV-Aktionstag „Kinderunfälle“ am 16.11.2015 in Münster

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    MR Ulrich Malburg (Foto:LAFP NRW)
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    MR´in Anke Leue (Foto:LAFP NRW)
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    SURVIVAL-Projekt zur Kinderunfall-Verhütung (Foto:LAFP NRW)
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    Ärztin Roxana Mittler-Matica und ADFC-Rechtsreferenten Roland Huhn (Foto:LAFP NRW)
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    PD Claus-Peter Schuch und LPD Udo Weiss (Foto:LAFP NRW)

FHöV-Aktionstag „Kinderunfälle“ am 16.11.2015 in Münster

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Im Straßenverkehr zählen Kinder zu den schwächsten Verkehrsteilnehmern. Zwar hat sich in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der auf deutschen Straßen getöteten Kinder auf über die Hälfte reduziert. Auch die Anzahl der verletzten Kinder ging in dem Zeitraum von 2005 bis 2014 auf 78 Prozent des Ausgangswertes zurück. Doch bedeutet dieser bis 2014 eingetretene, deutliche Rückgang der Unfälle auf 71 getötete und über 28.000 zum Teil schwer verletzte Kinder im Straßenverkehr wirklich bereits einen durchgreifenden Erfolg?

Kinder sind die Zukunft. Auch deshalb gelten Unfälle mit Kindern als das traurigste Kapitel der Mobilität auf unseren Städten. Die Zahl der im Straßenverkehr verunglückten Kinder ist in den letzten Jahrzehnten – seit 1970, dem Höchststand der Verkehrstoten in Deutschland – kontinuierlich geringer geworden. Doch ein Vergleich mit ehemals noch höheren Risiken vermag nicht zufriedenstellen, wenn noch immer durchschnittlich alle fünf Tage ein Kind unter 15 Jahren im Verkehr auf deutschen Straßen stirbt und alle 18 Minuten dort ein Kind verletzt wird, zum Teil so schwer, dass es sein Leben lang darunter leidet. Die mit Blick auf Vision Zero nach wie vor viel zu hohen Zahlen der getöteten oder verunglückten Kinder können kein Anlass sein, in den Bemühungen um eine weitere Verbesserung für die Sicherheit der Schwächsten nachzulassen.

Was können und sollen die Träger der Verkehrssicherheitsarbeit in unterschiedlichen Aufgabenbereichen unserer Gesellschaft leisten, um hier notwendige Verbesserungen zu erzielen? Um diese Fragen zu beantworten und erfahrene Experten sowie junge PVD-Studierende durch Vorschläge namhafter Referenten an aktuelle und optimierte Konzeptionen heranzuführen, hat die FHöV NRW in Kooperation mit der Verkehrsunfall-Opferhilfe Deutschland e.V. (VOD) am 16.11.2015 im Bildungszentrum „Carl Severing“, Münster, einen von Fachleuten aus dem gesamten Bundesgebiet besuchten – und durch Vertreter der Medien begleiteten – Aktionsnachmittag zur Vermeidung bzw. Bekämpfung von Kinderunfällen durchgeführt.

Nachdem und während Angehörige der Direktion Verkehr der Polizei Münster auf dem Gelände des Bildungszentrums ihre wichtige Arbeit dem interessierten Fachpublikum vorstellten und dabei das technische Equipment Ihres Verkehrsdienstes sowie die Leistungen der Verkehrssicherheitsberatung präsentierten, hörten die jüngeren und älteren Experten in der Aula Vorträge über bisher erfolgreich durchgeführte und künftig angestrebte wirksame Interventionsmaßnahmen.

FHöV-Präsident Reinhard Mokros betonte in seiner Eröffnung der Veranstaltung, dass es eine bedeutende Verpflichtung, nicht nur der Polizei, sondern aller gesellschaftlichen Kräfte sei, Kinder im Straßenverkehr Kinder vor Schaden zu bewahren. Der Aktionstag der FHöV NRW sowie der sich daran anschließende zweitägige Kongress der Gesellschaft für Ursachenforschung bei Verkehrsunfällen e.V. (GUVU) und der VOD in der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol) sollten einen spürbaren Beitrag dazu leisten, den aktuellen Stand des Wissens zusammenzuführen und die künftige Verkehrssicherheitsarbeit zugunsten der Kinder und Jugendlichen an nachhaltigen und wirkungsvollen Methoden auszurichten.

Die Leiterin des Referats für Verhaltensrecht (also für die StVO) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), Frau MR´in Anke Leue, berichtete, welche Pläne die Bundesregierung durch das Bundesverkehrsministerium verfolgt, die Schwachen im Straßenverkehr, vor allem Kinder, Fußgänger und Radfahrer, künftig noch besser gegen Unfallgefahren zu schützen. Schließlich soll nach den Zielen der Bundesregierung der umweltfreundliche und gesundheitsfördernde Radverkehr deutlich zunehmen und im bundesweiten Durchschnitt bis 2020 einen Anteil von 15 Prozent am Modal Split erhalten. Dies erfordert, dass die StVO der Stärkung des Radverkehrs auch Rechnung trägt und radfahrer- und fußgängerfreundlicher wird. Für diesen Bedarf sprechen auch die in den letzten Jahren nur geringen Rückgänge oder sogar Steigerungen der Zahl der Unfallopfer im Radverkehr, während der Autoverkehr, u. a. durch den Einsatz neuer Technologien, für die Fahrer und Mitfahrer aufgrund geringerer Zahl der Personenschäden sicherer geworden ist. Eines der markantesten Beispiele der Risiken des Fuß- und Radverkehrs ist der „tote Winkel“ bei rechtsabbiegenden Kraftfahrzeugen. Das Helmtragen beim Radfahren soll gefördert, mit Rücksicht auf Haftungsrisiken der Radler aber nicht verpflichtend vorgeschrieben werden. Künftig soll es erwachsenen Aufsichtspersonen gestattet werden, Rad fahrende Kinder mit dem Fahrrad auf dem Gehweg zu begleiten. Durch Änderung des § 45 Abs. 9 StVO soll die hohe Schwelle für die Anordnung von Tempo-30-Zonen fallen, damit durch die häufigere Verkehrsberuhigung in den Städten Kinder als schwächste Verkehrsteilnehmer besser geschützt werden können.

Herr MR Ulrich Malburg vom Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr (MBWSV) des Landes NRW, zuständig u. a. für das mit Spannung erwartete neue Verkehrssicherheitsprogramm der Landesregierung bis 2020, erläuterte im Plenum bereits einige Kernpunkte, die sogar dem Landtag NRW noch nicht vorgestellt worden sind. Kindersicherheit stecke in zahlreichen Kapiteln des Programms:

  • In der Infrastruktur werde die Verbesserung der kommunalen Fuß- und Radverkehrsgestaltung mit einem Nahmobilitätsplan unterstützt. Fußgängerfreundliche Ampelschaltungen sollen eingerichtet werden. Weitere Ideen für eine bewegungsaktivierende Infrastruktur würden zur Verfügung gestellt.
  • Das Mobilitätsmanagement der Landesregierung NRW verspreche den Stellenwert des Fußverkehrs weiter zu stärken, Strategien und Konzepte für den ruhenden Kfz-Verkehr zu erarbeiten sowie Schnittstellen des Fußverkehrs zu den übrigen Verkehrsarten zu überprüfen.
  • Die Verkehrsüberwachung soll vermehrt unzulässiges Geh- und Radwegparken unterbinden und verstärkt ahnden.
  • In der Fahrzeugtechnik möchte NRW eine vermehrte Ausstattung von Fahrzeugflotten mit Fahrerassistenzsystemen und deren Benutzung vorantreiben.

Für die Polizei Münster berichtete Herr LPD Udo Weiss fachlich versiert und hoch engagiert über die Probleme der Radverkehrs- und Kindersicherheit sowie Konzeptionen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit in der „Fahrradhauptstadt“ Münster. Leider ist Münster ein unsicheres Pflaster – und das nicht trotz, sondern auch wegen seiner Radfahrer. Die Bike-Vorzeigestadt kämpft mit hohen Unfallzahlen. Dabei ist Münster es nicht gewohnt, im Vergleich mit anderen Städten schlecht abzuschneiden. Fast immer, wenn in vergangener Zeit etwa die Lebensqualität oder die Wirtschaftsfreundlichkeit deutscher Städte untersucht wurde, landete die westfälische Stadt auf einem der ersten Plätze. Nicht zuletzt wird Münster aufgrund des überproportional hohen Radverkehrsanteils, der nach letzten Zählungen höher ist als der motorisierte Individualverkehr (38,5 Prozent zu 36 Prozent), auch als besonders lebendig und lebenswert bewertet. Die Polizei müht sich, glücklicherweise mit einigem Erfolg, den Kfz-Verkehr zu entschleunigen und manchen „Rad-Rowdies“ Manieren beizubringen.

Fehlen darf in der Verkehrssicherheitsarbeit auch nicht die ehrenamtliche und gemeinnützige Prävention, die maßgeblich durch die Verkehrswachten geleistet wird. „Kinder im Straßenverkehr“ ist ein zentrales Thema der Präventionsarbeit der Deutschen Verkehrswacht. Der Straßenverkehr wird noch zu stark von Erwachsenen bestimmt. Die Kleinsten als schwächste Verkehrsteilnehmer können die Gefahren alleine oft nicht meistern, so sehr wir sie auch warnen, aufmerksam machen und auch trainieren. Erwachsene können und müssen Helfer und Vorbilder sein. Die Landesverkehrswacht führt zum besseren Schutz von Kindern im Straßenverkehr zahlreiche Programme und Aktionen durch. So stellte der Geschäftsführende Direktor der Landesverkehrswacht NRW, Herr RA Burkhard Nipper, die gegenwärtig laufenden Aktionen „Vorsicht Toter Winkel! (Abbiegeunfälle)“ sowie „Hol- und Bringzonen (Elternhaltestellen)“ vor.

Eine junge Ärztin, Frau Roxana Mittler-Matica vom Städtischen Klinikum Braunschweig, gab Informationen über ein neues, aus verschiedenen Elementen bestehendes Projekt zur Prophylaxe von Schädel-Hirn-Verletzungen bei Kindern im Straßenverkehr.

Die Vortragsveranstaltung des Aktionsnachmittags zu empfehlenswerten Maßnahmen zur Vermeidung von Kinderunfällen wurde in bewährter Manier durch Herrn PD Claus-Peter Schuch moderiert.

Die Vorträge der Referenten stehen (im Folgenden) zum Download bereit.